DER TAG DES DEUTSCHEN BIERES 23. APRIL

Ein Prosit zum Tag des deutschen Bieres
mit dem Jahrgangangsbock der Bräunlinger Löwenbrauerei, der traditionell zum 23.04 eingebraut wird.
Ein schön hopfenbetonter heller Bock mit harmonischer Balance zwischen Malzkörper und hopfenherbem Abgang!

DER TAG DES DEUTSCHEN BIERES

Themen die uns wichtig sind würdigen wir mit einem eigenen Tag im Kalender.

Oft sind die Daten an wichtige Ereignisse geknüpft, wie zb

  • der National Beer Day in den USA am 07. April, der das Ende der Prohibition in den USA im Jahr 1933 feiert
  • oder der heutige Tag des Deutschen Bieres am 23. April, der die Verkündung des Bayrischen Reinheitsgebotes 1516 markiert. 

DER GEORGITAG

Und wie so oft in Sachen Bier gesellen sich mehrere Ereignisse und Sachverhalte zusammen, und bilden einen spannenden Kontext: so war das Datum des 23. April historisch der Beginn der Braupause untergäriger Biere im Sommer. Denn als wir noch keine künstlichen Kühlmöglichkeiten hatten, wurden die Biervorräte über den Sommer i.d.R. in gekühlten Felsenkellern gelagert. Die temperaturempfindlicheren untergärigen Biere durften vom Georgitag dem 23. April bis zu Michaeli dem 29. September nicht gebraut werden.

WOHER KOMMEN UNSERE KÜHLSCHRÄNKE?

Unserem Bier haben wir auch Innovationen zu verdanken, wie auch unsere heutige Kühltechnik. Denn Carl Linde hatte im Auftrag einer Brauerei 1876 die erste Kältemaschine für die Bierindustrie entwickelt, was ermöglichte fortan auch im Sommer untergärige Biere zu brauen.
 

DAS REINHEITSGEBOT

Vereinfacht gilt, es seien nach Reinheitsgebot lediglich 4 Zutaten im Bier erlaubt: Wasser, Malz, Hopfen, Hefe - doch wie so oft, verbirgt sich dahinter doch etwas mehr Komplexität und das einfache Rezept ist dann doch nicht so einfach wie es nach Aussen hin scheint.

Es gibt einige Erweiterungen, welche Produktionsprozesse verschlanken und Rohstoffeinkauf optimieren. Dies hat zur Folge, dass im grossen Stil immer günstigeres Bier produziert werden kann, was die Überlebenschancen der Brauereivielfalt eher gefährdet. 

Gesetzliche Grundlage ist das vorläufige Biergesetz von 1993. Dieses erlaubt einige Ausnahmen mit der Bedingung, dass diese keine chemische Reaktion im Bier hervorrufen und diese „bis auf gesundheitlich und geschmacklich (...) unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden“.

Im Vergleich zu der erlaubten Zutatenliste in vielen anderen Ländern und auch im europäischen Ausland, sind in Deutschland, dank dem Reinheitsgebot, keine Aromen, keine Farbstoffe, keine Stabilisatoren, keine Enzyme, keine Emulgatoren und auch keine Konservierungsstoffe erlaubt. 

HABEN WIR CHEMIE IM BIER?

Viel diskutiert ist bspw. das Kunststoffgranulat PVPP (Polyvinylpolypyrrolidon) das zur Stabilisierung von Bieren, v.a. für einen langen Exportweg genutzt wird. Dabei wird PVPP dem Bier zugegeben, bindet trübende Stoffe (v.a. Eiweiß) und wird bei der Filtration wieder aus dem Bier entfernt. Sollten noch unvermeidbare Spuren im Bier enthalten sein, so sei erwähnt, dass wir diesen Stoff bspw. über Tabletten zu uns nehmen, ohne uns Gedanken darüber zu machen. (Mikroplastik?)

 Eine weitere erlaubte Zutat, die dem Konsumenten nun erst seit den Diskussionen über das Reinheitsgebot ins Bewusstsein rückt ist Röstmalzbier, oder Färbebier. Es handelt sich dabei um Biere, die in darauf spezialisierten Brauereien gebraut und dann zur Weiterverarbeitung an andere Brauereien verkauft werden. Laut Brauerbund dienen diese Biere dem Ausgleich von Farbschwankungen. In der Praxis können aber Produktionsprozesse erheblich verschlankt werden, indem verschiedene Bierstile gemeinsam als ein Helles eingebraut und und erst im letzten Schritt zu dunklen Bierstilen eingefärbt und „aromatisiert“ werden.

Staatliche Lebensmitteüberwacher aus Karlsruhe haben herausgefunden, dass von 80 überprüften dunklen Bieren 40 kein dunkles Malz enthielten, da sie als Helles eingebraut wurden.

Die Kostenersparnis für Malz und durch schlankere Produktionsprozesse liegt auf der Hand. Zutaten und Vorgehensweise sind zwar unbedenklich, dennoch stellt sich der Konsument unter einem natürlich gebrauten Bier nach alter Tradition gemäss dem Reinheitsgebot etwas anderes vor.

DIE GESCHICHTE ZUM REINHEITSGEBOT

Da ist der Vorwurf, das Reinheitsgebot sei zum Marketingag verkommen gut nachvollziehbar.

In der Tat wurde der Begriff Reinheitsgebot erst 1918 geprägt, zuvor sprach man von einem Surrogatverbot. Einem Verbot von Ersatzstoffen für Malz und Hopfen, das in Notzeiten immer wieder gelockert wurde.

Ursprünglich zielten die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. mit ihrem Erlass vom 23. April 1516 in Ingolstadt, wonach "zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen", darauf ab die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigem und preiswertem Bier sicher zu stellen.

Biertrinken konnte damals durchaus gefährlich sein, da Biere mit minderwertigen Zutaten gepanscht sein konnten.

Ein weiterer Aspekt war die Bekämpfung „heidnischer“ Bräuche oder vermeintlicher „Hexentrank“, da Biere geschichtlich auch sehr nah mit religiosen Ritualen verknüft waren oder auch medizinisch genutzt wurden, da sich Heilkräuter darin gut lösen liessen.

Darüberhinaus dürfen wir davon ausgehen, dass auch die Reformation eine Rolle spielte und das Reinheitsgebot dazu diente Steuern auf Bier und seine Rohstoffe den Staatskassen zufliessen zu lassen, indem das voher oft herrschende Grutrecht abgeschafft wurde, das meistens der Kirche, Klöstern oder sonstigen Grutherren zugute kam.

GAB ES AUCH WEIZENBIERE UND KRÄUTERBIERE?

Der höherwertige Weizen sollte damals übrigens den Brotbäckern vorbehalten bleiben, und hat bis zur Entstehung des heutigen Weizenbiers seine ganz eigene Geschichte geschrieben.

Und auch im Verlauf der letzten 500 Jahre hatte dieser Erlass einige Änderungen erfahren, so waren zeitweise zusätzliche Kräuter wie Wacholder, Kümmel, Koriander oder Lorbeer erlaubt. Heute ist das Brauen dieser historischen Bierstile per Ausnahmegenehmigung erlaubt. Allerdings nicht in allen Bundesländern. Insbesondere in Bayern wird das Reinheitsgebot noch strikter ausgelegt, so gibt es bspw. keine Ausnahmegenehmigungen und die Verwendung von Röstmalzbieren ist eingeschränkt und muss deklariert werden.

WISSENSCHAFT BRINGT ERLEUCHTUNG

Ende des 19. Jahrhunderts wurde schließlich die Hefe wissenschaftlich erforscht, so dass wir heute von 4 Zutaten des Bieres gemäß Reinheitsgebot sprechen: Wasser, Malz, Hopfen und Hefe, wobei sich das Malz aus vermälzten Getreiden zusammensetzt (kein Reis, Mais oder Getreide-Rohfrucht). Weiterhin wird deutlich zwischen unter- und obergärigen Bieren unterschieden. Ausserhalb von Bayern sind für obergärige Biere noch weitere Zutaten wie technisch reiner Rohr-, Rüben- oder Invertzucker erlaubt.  Sicherlich ein kaum verständliches Paradox für viele Brauer, dass es erlaubt ist Zucker zuzugeben, aber Honig als traditionelle Zutat verboten bleibt.

WIE KANN ES WEITER GEHEN?

Vor ein paar Jahren hat uns der Glyphosat-Skandal im Bier gezeigt, dass wir es heute mit anderen Gegebenheiten als vor 500 Jahren zu tun haben. Denn das Glyphosat gelangt durch belastetes Getreide über das Malz in unser Bier, ein Problem das man vor 500 Jahren natürlich noch nicht kannte. Genauso wie übrigens auch chemische Putzmittel.

Letztendlich zählt aber wie das Reinheitsgebot heute gelebt wird, zu welchen Gunsten Änderungen vorgenommen werden und was dem Endverbraucher dabei suggeriert wird, Das Interesse des Kunden scheint klar zu sein: er möchte sich darauf verlassen können ein reines Bier zu erhalten. In diesem Sinne sollte eher eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Intention und eine entsprechende Anpassung an die heutigen Gegebenheiten verfolgt werden.

Die Craftbier-Bewegung engagiert sich für die Erweiterung des Reinheitsgebotes im Sinne eines Natürlichkeitsgebotes, was enger gefasste traditionelle Braumethoden vorsieht und die erweiterte Verwendung natürlicher Rohstoffe und Zutaten wie bspw. Orangenschalen, Gewürzen, Früchten, Honig etc vorschlägt.

Immerhin wurde der Antrag des Deutschen Brauerbundes, das Reinheitsgebot als immaterielles Weltkulturerbe anzuerkennen mit folgender Begründung abgewiesen: „Hier stand die Lebensmittelvorschrift zu sehr im Vordergrund. Wir hatten auch den Eindruck, dass die Bierproduktion inzwischen sehr industriell geprägt ist. Der Mensch als Wissensträger der Brautradition scheint zunehmend eine nachrangige Rolle zu spielen.“ 

Es wäre also an der Zeit das Reinheitsgebot wieder in ein verbindliches und vertrauenswürdiges Natürlichkeitsgebot zu überführen, und der vorhandenen Kundenerwartung zu entsprechen.

Ich schliesse mich gerne einem Aufruf einiger Bierliebhaber zum Thema an: Das Reinheitsgebot ist tot, lang lebe das Reinheitsgebot! Denn stell dir vor, wir hätten das Reinheitsgebot nicht gehabt? Dann wären heute vielleicht auch künstliche Enzyme, Emulgatoren,  Schaumstabilisatoren, Zucker, tierische Produkte etc erlaubt und die Diskussion stünde auf einer sehr viel schlechteren Ausgangsbasis. 

Und nicht zuletzt bin ich der Überzeugung, dass wir diese Expertise in Brauhandwerk, das zum Braukunsthandwerk wurde, nicht entwickelt hätten, hätten wir einfachere Eingriffsmöglichkeiten zur Steuerung gehabt.

Immerhin können wir auch mit diesem „einfachen Rezept“ auf eine Auswahl an 170 verschiedene Hopfensorten, 40 verschiedene Malzsorten und knapp 200 unterschiedliche Hefestämme zurückgreifen. Hinzu kommt die Wahl des eingesetzten Wassers, sowie Besonderheiten der Brauverfahren. Summa summarum ergeben sich mehr als 1 Million verschiedene Möglichkeiten, ein Bier nach dem Reinheitsgebot zu brauen.

Deutsche Biertrinker könnten also rein rechnerisch mehr als 15 Jahre lang jeden Tag ein anderes Bier probieren, und müssten dabei keines zweimal verkosten.

Zum Wohle
Andrea

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